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ADHS / AD(H)S – Was eine Diagnose bedeutet und wie der Weg dorthin aussieht

  • Chris Marie Marie von Nauman
  • 16. Sept.
  • 3 Min. Lesezeit

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Immer wieder erreichen mich Anfragen, ob ich in der psychologischen Beratungsstelle, in der ich tätig bin, oder in meiner eigenen psychologischen Onlineberatung eine AD(H)S-Diagnostik anbiete. Die kurze – und für manche vielleicht ernüchternde – Antwort lautet: Nein, das ist in beiden Kontexten nicht möglich.

Da das Thema jedoch für viele Ratsuchende wichtig ist, möchte ich in diesem Beitrag einen Überblick geben: Wer darf AD(H)S diagnostizieren? Wofür ist eine Diagnose sinnvoll? Wie läuft das Verfahren ab – und wann lohnt sich der Weg überhaupt?

Außerdem findest du Hinweise zur ersten Selbsteinschätzung sowie konkrete Tipps, wie du die nächsten Schritte angehen kannst.


 Blogartikel als kostenloser Download.



  1. Was ist AD(H)S – und wo liegt der Unterschied? (nach ICD-10)

 

ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Im internationalen Klassifikationssystem ICD-10 wird von „Hyperkinetischen Störungen (F90)“ gesprochen. Es gibt drei Hauptformen:


Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (F90.0):

  • Kernsymptome: ausgeprägte Unaufmerksamkeit, motorische Überaktivität, Impulsivität.

  • Beginn meist in der Kindheit, Beeinträchtigungen in mehreren Lebensbereichen.

  • Diese Variante wird häufig auch im Erwachsenenalter diagnostiziert, da die hyperaktiven Symptome mit der Zeit abnehmen, die Aufmerksamkeits- und Organisationsprobleme jedoch bleiben.

Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (F90.1):

  • Zusätzlich zu den Kernsymptomen treten ausgeprägte Störungen des Sozialverhaltens auf (z. B. Aggressivität, Regelverletzungen).

Sonstige und nicht näher bezeichnete hyperkinetische Störungen (F90.8/ F90.9):

  • Wird verwendet, wenn nicht alle Kriterien erfüllt sind, aber dennoch ein klinisch relevantes Bild vorliegt.

 



  1. Wer darf AD(H)S diagnostizieren?

 

  • Fachärzt*innen für Psychiatrie und Neurologie

  • Kinder- und Jugendpsychiater*innen

  • Psychologische Psychotherapeut*innen

  • Spezialisierte Ambulanzen und Kliniken

Beratungsstellen und Heilpraktiker:innen für Psychotherapie können keine offizielle Diagnose stellen, aber beim Sortieren, Orientieren und Weiterverweisen unterstützen.




  1. Wofür ist eine Diagnose wichtig?

 

  • Nachteilsausgleich in Schule oder Studium (z. B. Prüfungszeitverlängerung)

  • Medikamente: können nur mit vorliegender Diagnose verschrieben werden

  • Therapie / Coaching: Diagnose oft Voraussetzung für Kostenübernahme

  • Selbstverstehen: Entlastung, Klarheit, besserer Umgang mit Symptomen

Eine Diagnose ist kein Stempel, sondern ein Hilfsmittel, um den passenden Zugang zu Unterstützung und Behandlung zu finden.




  1. Wie läuft eine Diagnostik ab?

 

  • Ausschluss anderer Ursachen, Erkrankungen und Faktoren, die ähnliche Symptomatik verursachen können (dazu sind auch körperliche und neurologische Untersuchungen notwendig)

  • Anamnese: ausführliches Gespräch über Kindheit, Schule, Beruf, Alltag

  • Fragebögen: Selbsteinschätzung und Fremdbeurteilungen (z. B. durch Partner, Eltern)

  • Informationssammlung über Eltern, Lehrer*innen, Partner*innen (standardisierte Fragebögen und Beobachtungen)

  • Leistungstests: Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Impulskontrolle

  • Abklärung von Begleiterkrankungen: Depression, Angst, Sucht u. a.

  • Meist erfolgt die Diagnostik über mehrere Sitzungen.




  1. Eine Selbsteinschätzung – woran kann man sich orientieren?

 

Nach ICD-10 müssen die Symptome:

  • schon in der Kindheit auftreten (vor dem 7. Lebensjahr),

  • in mehr als einem Lebensbereich bestehen (z. B. Arbeit und Familie),

  • zu deutlichen Beeinträchtigungen führen,

  • nicht besser durch andere Störungen erklärt werden.

Kernsymptome sind:

  • Unaufmerksamkeit (z. B. Flüchtigkeitsfehler, Aufgaben nicht zu Ende bringen)

  • Hyperaktivität (z. B. Zappeln, innere Unruhe)

  • Impulsivität (z. B. vorschnelles Handeln, Schwierigkeiten beim Warten)

Online-Tests oder ChatGPT können erste Hinweise geben, ersetzen aber keine professionelle Abklärung.

 



  1. Wann lohnt sich eine Diagnostik?

 

  • Wenn Symptome deutlich belasten (z. B. Job, Studium, Beziehungen)

  • Wenn Behandlungsoptionen (Medikamente, Coaching, Therapie) interessant sind

  • Wenn es um Nachteilsausgleich oder Amtswege geht

  • Wenn trotz Selbsthilfestrategien das Gefühl bleibt: „Irgendetwas stimmt nicht.“

 


 

  1. Vorgehen – ich will eine Diagnostik in Angriff nehmen, so geht’s am besten?

 

Wenn du den Eindruck hast, AD(H)S könnte für dich ein Thema sein, kann folgender Fahrplan helfen:

1) Hausärzt*in als erste Anlaufstelle

  • Sie können eine Überweisung an Fachärzt*innen oder Ambulanzen ausstellen.

  • Gleichzeitig können bereits andere mögliche Ursachen (z. B. Schilddrüse, Schlafstörungen) ausgeschlossen werden.

2) Fachärztliche Abklärung

  • Zuständig sind v. a. Fachärzt*innen für Psychiatrie und Neurologie oder Kinder- und Jugendpsychiater*innen (bei jungen Erwachsenen).

  • Auch spezialisierte Ambulanzen (z. B. Universitätskliniken) bieten Diagnostik an.

3) Psychologische Abklärung

  • Psychologische Psychotherapeut*innen mit Spezialisierung auf ADHS können ebenfalls Diagnostik durchführen.

  • Vorteil: Oft sehr ausführliche Gespräche und Testungen.

4) Vorbereitung auf die Diagnostik

  • Sammle Unterlagen aus Kindheit/Schule (Zeugnisse, Gutachten, evtl. alte Arztberichte).

  • Bitte ggf. Eltern oder nahe Bezugspersonen, ihre Beobachtungen aus deiner Kindheit zu schildern.

  • Überlege dir konkrete Situationen, in denen dich Unaufmerksamkeit, Impulsivität oder innere Unruhe belasten.

5) Geduld mitbringen

  • Wartezeiten können mehrere Monate betragen.

  • In der Zwischenzeit können Selbsthilfegruppen, Beratung oder Coaching eine gute Unterstützung sein.

Auf folgenden Seiten findest du weitere Informationen zum Ablauf der Diagnostik.

 

 

Rechtlicher Hinweis:

Stand: 15.09.2025. Die Inhalte dieses Beitrags wurden sorgfältig recherchiert und nach bestem Wissen erstellt. Sie dienen ausschließlich der allgemeinen Information und ersetzen keine medizinische, psychologische oder psychiatrische Beratung, Diagnose oder Behandlung. Bei individuellen Fragen oder Beschwerden wenden Sie sich bitte an eine qualifizierte Fachperson (z. B. Fachärzt*in für Psychiatrie oder Psychologische/r Psychotherapeut*in). Eine Gewähr für Vollständigkeit, Aktualität

 
 
 

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